josef thomas petsovits : Textbeispiel aus "Teddy - ein Märchen für Erwachende"

     Ich sah eine Träne vorbeiziehen am Fenster zum Purpur. Kam sie nicht aus dem Gelb Latokahs und ist auf dem Weg ins tiefe Azzur Teddys. Träume tropften in Chromklotzen von der Sonne und der Saum der Gebirge funkelte im Licht ihrer Gegenwart. Schnee fiel auf den ockeren Sand und wusch ihn zu zartem Hellblau, aus dem Musik in den Himmel fiel.

 

     "Träum ich nicht die alten Träume, zu alter Musik ? Lieb ich nicht dasselbe Mädchen, das es auch damals nicht gab ? Bin ich nicht der gleiche Bär, der ich niemals war ?"

 

     Diese Zeilen fand ich in Tassl in den Blütenstaub eines Kirschbaumes geschrieben. Ich lag im Schatten meiner Füße und ruhte mich aus. Der Himmel öffnete sich und bot den nackten Schoß einer Jungfrau dar. Ich fühlte, was mein Freund, dem ich nie begegnet, fühlte, und mir war zum In-die-Luft-gehen, doch konnte ich keine Treppen finden. Die Zeit wurde vergessen, niemand sah sie noch. Ich wollte einen Brief schreiben. An Teddy.

 

     "Musik rinnt leise aus den Wänden, Zigaretten rauchen in die Nacht. Eine Flasche Cognac wäre jetzt was. Schließe ich die Augen, sehe ich blondes Haar. Und ihre Augen, blau wie der Mond in Cythacha, leuchten vor Traurigkeit. Wie sehne ich den Sommer herbei in dieser polaren Kälte. Weiß, wie der Hauch einer Lilie, ist ihre Hand hinter meinen verschlossenen Augen. Und Lilien auch trägt sie im Haar. Über ihrem linken Ohr ist eine rote Rose gesteckt. Und ein Wort, daß ich ihr sagen will, zerschmilzt, von ihrem Atem getroffen. Wind bläst durch seine Nüstern und durch mein Haar. Fetzen und Fragmente von nie gesungenen Liedern fallen in meinem Kopf hin und her. Und ich fühle mich schweben über dem Sumpf des Lebens. Hinauf zum Nichts treibt es mich. Fort, fort, verweile noch eine Stunde hier...!"

 

     Ich saugte diese Worte in die Sonne und schlief. Ein Traum, geboren im Juni, fast zerstört im November, den träumte ich jetzt, im März. In die Dunkelheit schrie ich, was ich bislang nur dem Wind geflüstert. Asche fiel in die Dose, die mir Schachtelmax zum Jahrestag meines Todes geschenkt hatte. Am Boden versammelte sich Rauch, um auf einer verschlafenen Küchenfliege eine rosa Ratte zu gebären. Verschlafen, in der Tat, das war sie. Vor Kurzem erst vom Knistern des Holzes im Kamin aus ihrem Frühlingsschlaf geweckt, taumelte sie in den Jahren umher, als seien sie Tage. In Wahrheit waren es Stunden, doch keiner wußte um sie. Wie waren doch die Augen des Kindes blau, das vor dem Einschlafen ein Glas Apfelschaum verlangte, der mit einem Märchen als Dessert serviert wurde. Wie liebte ich doch die blauen Augen meiner Geliebten, die in meiner Stadt wohnte, in der zu träumen verboten war und somit den Traum zum Traume machte, wo ich träumen konnte, ich wäre ihr Traum. Wie sehnte ich mich nach dieser Stadt, weil ich wußte, einige Verbotsblöcke weiter sitzt sie bei Kaffee und Butterbrot, in dieser, meiner wahren Heimat. 

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